Ablauf einer Atemtherapie-Sitzung

Von Ralf Lieder, Qualified Rebirther und Ganzheitlich Integrativer Atemtherapeut

Jede Atemtherapiesitzung ist ein einzigartiger Prozeß, der auf den Themen basiert, die gerade beim Klienten anstehen. Deshalb lassen sich kein allgemeingültiger Ablauf einer Atemsitzung festlegen - allenfalls einige Phasen, die in der Regel durchlaufen werden. Es gibt allerdings einige Grundvoraussetzungen und Verhaltensweisen, denen sich Integrative Atemtherapeuten/Rebirther verpflichtet fühlen.

Die Rebirthing-Formel

Es gibt eine einprägsame Formel, die recht gut beschreibt, was während einer Atemsitzung passiert:

A + A = A.  Angst plus Atem gleich Abenteuer!

Das Ziel ist es, wieder Kontakt zu verdrängten Gefühlen (meist Angst oder Trauer) zu erhalten, diese vorurteilsfrei anzuschauen ("Ich bin mehr als mein Gefühl") und bewußt als ein Teil des eigenen Lebenswegs anzunehmen (zu be"ja"hen).

Dabei gelten folgende Grundvoraussetzungen:

- Es ist der Prozess des Klienten, nicht des Atemtherapeuten
Die eigentliche "Arbeit" macht der Klient, d.h. Aufgabe des Integrativen Atemtherapeuten/Rebirthers ist es, die Sitzung zu begleiten, zu führen und den Prozeß zu unterstützen.

- Der Atemtherapeut nimmt den Klienten so an, wie er ist
Bei der Atemtherapie geht es darum, die eigenen Potenziale zu erkennen und zu entwickeln. Deshalb wird der Integrative Atemtherapeut/Rebirther auf das eingehen, was der Klient ihm präsentiert und keine Themen von außen aufdrängen.

- Alles was kommt, ist willkommen
Alles was in einer Atemtherapie-Sitzung passiert ist willkommen und bleibt innerhalb der vier Wände. Jeder Integrative Atemtherapeut/Rebirther hat alle Formen von Gefühlsausbrüchen bei sich oder seinen Klienten erlebt und ihm ist deshalb nichts fremd. Der Klient kann sich deshalb ganz fallen lassen.

Die sechs Phasen einer Integrativen Atemtherapie-Sitzung

In der Regel findet die Atemtherapiesitzung im Liegen auf einer bequemen Unterlage (Massagetisch, Matratze usw.) statt. Manche Atemtherapeuten arbeiten auch im Sitzen, vor allem, wenn es um die Bearbeitung akuter Probleme geht oder wenn der Klient sehr müde ist. Wichtig ist eine tiefe Entspannung und ein Wohlfühlen des Klienten.

Auch wenn Atemsitzungen sehr unterschiedlich verlaufen, so lassen sich doch sechs Phasen unterscheiden, die während einer ein- bis zweistündigen Sitzung mehr oder weniger ineinander überlaufen. Ihr Integrativer Atemtherapeut/Rebirther gibt Ihnen die ganze Sitzung über behutsame Anleitung, durch verbale Hinweise oder indem er hörbar mit Ihnen atmet.

1. Phase: Das Vorgespräch
Jede Sitzung beginnt mit einem Vorgespräch, in dem der Integrative Atemtherapeut/Rebirther sich über den aktuellen Stand des Klienten informiert: Wie geht es ihm heute? Welches aktuelle Thema liegt an? Wie erging es ihm nach der letzten Sitzung? Welche Fragen sind noch offen? usw. Vor der ersten Sitzung wird in der Regel ein ausführliches Anamnesegespräch über die Vorgeschichte des Klienten geführt.

2. Phase: Die Entspannungsanleitung
Damit sich der Klient vollkommen entspannen kann, führt der Integrative Atemtherapeut/Rebirther den Klienten durch eine mehr oder weniger ausführliche Entspannungsanleitung ähnlich dem Autogenen Training.

3. Phase: Energieaufbau und verbundenes Atmen
Nachdem sich der Klient entspannt hat, leitet der Integrative Atemtherapie/Rebirther ihn nun zum verbundenen Atem. Er lernt dabei die zwei unterschiedlichen Atemphasen kennen: Das aktive Einatmen und das passive Ausatmen. Im Unterschied zu unserer normalen Atmung werden bei der verbundenen Atmung die Pausen zwischen Ein- und Ausatmen weggelassen, so dass ein kontinuierlicher Atemkreislauf entsteht. Es ist hilfreich, sich dabei vorzustellen, dass der Atem hinter dem Rücken wie eine Schiffschaukel hin- und her schwingt. Beim Einatmen bis über den Kopf, dort ohne Pause in die Gegenbewegung des Ausatems bis unter die Füße und von dort ohne Pause wieder zurück.    
Die Atemtechnik bei der Integrativen Atemtherapie/dem Rebirthing dient dazu, die natürlichen Energieströme des Körpers zu öffnen und den Kreislauf anzuregen, so dass die Energie ungehindert durch den Körper fließen kann. Diese Steigerung der im Körper zirkulierenden Energie schafft optimale Bedingungen, unter denen Körper und Seele ihr Potential entfalten können.

Der Integrative Atemtherapeut/Rebirther achtet darauf, dass der Klient entspannt und dennoch kraftvoll ohne Pause atmet und greift korrigierend ein. Nach etwa 10 bis 15 Minuten, wird die Kreisatmung zum Automatismus und der Klient kann sich seinen inneren Welten zuwenden.

Häufig kommt es zu diesem Zeitpunkt zu einem kurzen Unwohlsein, weil das innere System merkt, dass die Komfortzone, in der man alles kennt und unter Kontrolle hat, verlassen wird. Der Integrative Atemtherapeut/Rebirther wird Sie dabei unterstützen, diesen Schritt über den "Tellerrand hinaus" zu tun.

4. Phase: Die Interventions- und Integrationsphase
In Verbindung mit der Entspannung ermöglicht es die Energieaufladung, dass blockierte Erinnerungen wieder an die Oberfläche kommen können. Solche blockierten Erinnerungen sind mit Ereignissen verknüpft, die aus irgendeinem Grund nicht verarbeitet und integriert werden konnten; sie wurden einfach ins Unbewußte verdrängt.

Derartige Blockaden können unsere bewußten Absichten stören oder ihnen sogar aktiv entgegenwirken. Beispielsweise wirken Grundüberzeugungen aus der Kindheit (wie z.B.: "Ich muß alles alleine tun") bis in das Erwachsenenalter hinein und verhindern die Ausbildung der vollen Potentiale eines Menschen.

In dieser Phase werden (oft frühkindliche) Erinnerungen wachgerufen und die damit verbundenen Gefühle wieder aktiviert. So kann es sein, dass Sie plötzlich sehr traurig, sehr wütend oder aber auch sehr fröhlich werden. Das Ausdrücken dieser Gefühle hat an sich schon eine heilsame Wirkung.

Bei der Integrativen Atemtherapie steht die Energie im Mittelpunkt, die frei wird, wenn man Gefühle freigibt und ausdrückt. Ganz gleich, ob diese Gefühle durch Lachen, Schreien, Weinen, Reden oder Körperbewegungen ausgedrückt werden, es kommt immer der Zeitpunkt, wo das Ausdrücken der Gefühle eine heilende Wirkung hat, und zwar dann, wenn der Körper sich weit genug geöffnet hat, um Energie freizusetzen. An diesem Punkt wird der Körper im wahrsten Sinne des Wortes, die aufgestauten Gefühle "loslassen" und ihre Integration erlauben.

Der Integrative Atemtherapeut/Rebirther wird Ihnen in dieser Phase helfen, Ihre Gefühle auszudrücken. Je nach Ausbildung und Vorkenntnissen können diese Interventionen körperliche Ausdrucksformen haben (z.B. Gegendruck mit Händen und Füßen), in Form von ritualisierter Kommunikation ("Papa, was ich dir immer noch übel nehme") geschehen, als Fragen formuliert werden usw.

Integration bedeutet, dass Sie die erlebten Gefühle und deren Auslöser als Teil Ihres Lebensweges annehmen, diese Gefühle quasi umarmen, "Ja" zu ihnen sagen. Damit brauchen sie zukünftig keine Energie mehr dazu aufwenden, sie zu untedrücken. Dieser Integrationsprozess geschieht in "Ekstase", d.h., Sie gehen bewußt aus dem gerade erlebten Gefühl heraus ("Ich bin mehr als mein Gefühl") und schauen sich das Geschehen von einer neutralen Warte aus an. Sie nehmen einen anderen Blickwinkel ein, der es Ihnen erlaubt zu erkennen, welchen Sinn genau dieses Erlebnis in Ihrem Leben hat.

5. Phase: "Wie neu geboren"
In und nach der Integrationsphase wird der Klient in der Regel sehr ruhig und entspannt. Alle Anspannungen sind von ihm gewichen, er fühlt sich "wie neu geboren" (deshalb der Begriff "Rebirthing". Manchmal rollen sich die Klienten auch wie ein Baby ein. Diese Entspannung ist ein Zeichen dafür, dass die Sitzung "rund" ist, d.h., die aktivierten Gefühle wurden integriert und der Klient fühlt sich wohl.

Während der gesamten Zeit von der 2. bis zur 5. Phase atmet der Klient verbunden und erhält bei Bedarf Anleitungen vom Integrativen Atemtherapeut/Rebirther. Wenn beispielsweise Verspannungen in den Händen und im Mundbereich auftreten, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass der Ausatem noch zu sehr "gedrückt" wird. Der Integrative Atemtherapeut/Rebirther wird den Klienten deshalb dazu anleiten, entspannter auszuatmen. Wenn viel "Gefühlsmaterial" auf einmal ausbricht, ist es hilfreich schneller und flacher zu atmen, wenn der Klient Probleme hat, an seine Gefühle zu kommen, dann hilft eine tiefe und kräftige Atmung durch den Mund.

6. Phase: Nachgespräch
Damit das Erlebte sich festigen kann, führt der Integrative Atemtherapeut/Rebirther mit dem Klienten noch ein Nachgespräch, in dem der Klient erzählt, was er erlebt hat und welche Schlüsse er daraus zieht. Der Integrative Atemtherapeut/Rebirther wird ihm mitteilen, was ihm während der Sitzung aufgefallen ist.